Positionen – Inhouse-Vergabe an die Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH für die Errichtung und den Betrieb von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge

Als Verein nehmen wir mit nachfolgenden Schreiben vom 21.07.2021 Stellung zur Vorlage „Inhouse-Vergabe an die Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH für die Errichtung und den Betrieb von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge“ (Drucksache 18/3909 vom 25.06.2021)

Sehr geehrte Frau Senatorin Günther,

mit sehr großem Interesse hat unser Verein die Pläne der Stadt Berlin aus der Vorlage „Inhouse-Vergabe an die Berliner Stadtwerke KommunalPartner GmbH für die Errichtung und den Betrieb von Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge“ (Drucksache 18/3909 vom 25.06.2021) und zum weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur zur Kenntnis genommen. Unsere Mitglieder begrüßen diese Initiative, halten die dargestellten Informationen jedoch für unzureichend, um bewerten zu können, ob der Einsatz der geplanten 12.232.000 Euro bestmöglich am Bedarf der Bürger und E-Mobilisten ausgerichtet ist. 

Der Verein Berlin-Brandenburg Electric e. V. versteht sich als Interessenvertretung zur Förderung der zügigen Akzeptanz der E-Mobilität bei den Bürgern der Hauptstadtregion. Der wesentliche Erfolgsfaktor für den Hochlauf der E-Mobilität ist und bleibt die für den Nutzer möglichst barrierefreie und bezahlbare Nutzung von Ladeinfrastruktur. Speziell im urbanen Raum sind hierzu erhebliche konzeptionelle Aspekte abzuwägen. Vorweg, auch ohne Kenntnis über die Details, halten wir die Bereitstellung der avisierten Finanzmittel für deutlich zu gering, um hier eine Vorreiterrolle einzunehmen.Trotz allem sehen wir aber in der geplanten Investition in die Berliner Ladeinfrastruktur einen wichtigen Schritt bei der Transformation vom Verbrenner hin zu Elektrofahrzeugen und möchten im Folgenden unsere Position bzgl. einer praxisgerechten Ladeinfrastruktur im urbanen Raum darlegen.

Laden ist nicht gleich laden

Die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge ist im Gegensatz zum traditionellen Tankstellennetz für Verbrenner divers. Anstelle einheitlicher Tankstellen, die sich im Laufe der Jahrzehnte in Städten, im Umland und an Fernstrecken etabliert haben, besteht eine moderne Ladeinfrastruktur aus einer wesentlich größeren Zahl unterschiedlicher Ladepunkte, die die verschiedenen Anwendungsfälle beim Laden von Elektrofahrzeugen optimal unterstützen. Statt regelmäßig zur Tankstelle zu fahren, werden Elektrofahrzeuge idealerweise dann aufgeladen, wenn das Fahrzeug sowieso steht. Sei dies zuhause vor dem Eigenheim, im eigenen Kiez, beim Einkaufen im Supermarkt, bei der Arbeit, auf der Fernfahrt an der Autobahn oder am Ziel einer Reise im Urlaub oder bei einem Geschäftstermin. Elektrofahrer integrieren das Laden ihres Fahrzeuges idealerweise in ihren Alltag, statt extra “zum Tanken” zu fahren, wie man es bisher gewohnt war. Das hat zwei wesentliche Vorteile: das Laden dauert nur die 1-2 Minuten, um das Fahrzeug ein- und auszustecken und zusätzliche Fahrten zur Tankstelle, die sich in der Regel nicht vor der Haustür befindet, werden vermieden. Eine Folge davon ist auch, dass Elektrofahrzeuge nur in wenigen Fällen schnell “vollgeladen” werden, was der Lebensdauer der Fahrzeugbatterie sehr zugute kommt. Je nach Gelegenheit und Situation lädt man sein Fahrzeug nur so lange auf, wie man an einem Ort verweilt, was aber in der Regel auch kein Problem ist, da der tägliche Mobilitätsbedarf eines Stadtbewohners nur ca. 22 km beträgt. Eine Entfernung, die je nach Lader innerhalb weniger Minuten geladen werden kann.

Schnellladen ist die Ausnahme

Was bedeutet das nun für die Ausgestaltung der Ladeinfrastruktur in Deutschland und im konkreten Fall in einer Metropole wie Berlin? Weit über 90% der Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen kann und wird an einfachen AC Ladern mit Ladeleistungen zwischen 3,7 kW und 22 kW durchgeführt, die sich im privaten Raum (Eigenheim oder Arbeitsstätte), im halböffentlichen Raum (Supermarkt, Behörden, etc.) oder im öffentlichen Raum (öffentliche Lader) befinden. Weniger als 10% der Ladevorgänge wird in absehbarer Zukunft an sogenannten DC Schnellladern mit Ladeleistungen zwischen 100 kW und 350 kW durchgeführt, die sich im öffentlichen und halböffentlichen Raum in Städten (dedizierte Ladehubs, erweiterte Tankstellen) und entlang der Fernstraßen befinden.

Was den Aufbau dieses sehr diversen Ladenetzes betrifft, sehen wir aktuell die meisten Investitionen von privaten Ladeinfrastruktur-Anbietern im Bereich der DC Schnelllader. Das ist vor allem der Akzeptanzerhöhung neuer Elektroautokäufer geschuldet, die aktuell noch große Bedenken hinsichtlich der gefühlt geringen Reichweite von Elektrofahrzeugen im Falle von Fernfahrten haben. Diese Entwicklung darf aber nicht davon ablenken, dass insbesondere im urbanen Raum ein wesentlich größerer Bedarf an überall verfügbaren, öffentlichen AC Ladern besteht, die insbesondere Mietern ohne Zugriff auf eine private Ladeinfrastruktur die Möglichkeit gibt, ihr Elektrofahrzeug kostengünstig, sozialverträglich und komfortabel aufzuladen.

Die klassische öffentliche Ladestruktur löst das Problem nichtDie heute zur Verfügung stehende öffentliche Ladeinfrastruktur kann diesen Bedarf aus verschiedenen Gründen aktuell nicht decken. Zum einen decken die bereits heute verfügbaren Ladepunkte im öffentlichen Raum den zukünftigen Bedarf bei weitem nicht ab, zum anderen sind die aktuellen Preismodelle der verschiedenen Ladestromanbieter eher kontraproduktiv, da sie mit dem Ziel einer optimalen Auslastung Kunden dazu zwingen, ihre Fahrzeuge nach einer maximalen Standzeit von z.B. 4 Stunden umzuparken, da ab dieser Standzeit Strafgebühren fällig werden. Das

führt insbesondere während der Nacht zu Frust bei den Nutzern und ist für viele potenzielle Umsteiger zum Elektrofahrzeug ein Hemmnis diesen Schritt bereits heute zu tun. 

Einfaches Laden überall verfügbar

Was empfehlen wir nun konkret mit Blick auf die Pläne der Stadt Berlin vor diesem Hintergrund? Statt in den Ausbau von weiteren teuren DC Schnellladern und klassischen AC Ladern mit bis zu 22 kW zu investieren, die in vielen Fällen nicht benötigt und pro Ladepunkt zu teuer sind, ist es aus unserer Sicht wichtig, den Ausbau sehr günstiger Laternenlader mit einer relativ geringen Ladeleistung von 3,7 kW massiv zu forcieren. Aufgrund des geringeren Aufwandes für Hardware und Installation ermöglichen diese Lader die maximale Skalierung der Ladeinfrastruktur bei einem bestehenden Investitionsvolumen. Diese Ladeinfrastruktur sollte in einem attraktiven Preismodell angeboten werden, das sich zwischen dem ortsüblichen Hausstrom und den relativ teuren Preismodellen von öffentlichen AC Ladern bewegt und insbesondere keine Blockiergebühr beinhaltet, die Nutzer zum umparken ihrer Fahrzeuge zwingt. Die im Vergleich zu heutigen 11 kW AC Ladern relativ geringe Geschwindigkeit stellt aufgrund des oben genannten täglichen Mobilitätsbedarfs keine Einschränkung dar, da im Falle einer längeren Fahrt jederzeit spontan ein Schnelllader besucht werden kann.

Vision: Parken = Laden

Als Vision sollte in Zukunft jeder öffentlich zugängliche Parkplatz, egal ob im Straßenraum oder eigens eingerichteten Plätzen, mit einem günstigen Lader ausgestattet werden, der digital über eine App oder noch besser, mit dem Anstecken des Fahrzeuges automatisch genutzt und bezahlt werden kann. Im Grunde genommen sprechen wir in Zukunft nicht mehr von einer Ladegebühr, sondern von einer kombinierten Park- und Ladegebühr. Mit dem massiven Ausbau würde auch ein weiteres Problem gelöst: das Zuparken von Ladesäulen mit einem Verbrenner, das heute noch ein großes Problem in den Städten darstellt. Zukünftig macht diese Unterscheidung keinen Sinn mehr, da im Grunde jeder öffentliche Parkplatz automatisch eine Lademöglichkeit bietet.

Sehr geehrte Frau Senatorin Günther, wir sind uns bewusst, dass es in diesem komplexen Thema noch weitere zu berücksichtigende Aspekte gibt, die hier auszuführen den Rahmen sprengen würden. Wir bieten Ihnen aber unsere fachliche Unterstützung an und freuen uns mit Ihnen und den anvisierten Projektpartnern ins Gespräch zu kommen.

Mit freundlichen Grüßen

i. A. Vorstand

Berlin-Brandenburg Electric e. V. 

Unser Schreiben an Frau Senatorin Regine Günther vom 21.07.2021 als PDF zum Download

P.S. Auf unseren Club-Abenden diskutieren wir unsere politischen Positionen https://berlin-brandenburg-electric.org/club-lounge


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